Jedes Aquarium ist ein Ökosystem für sich, zumindest, wenn es sich einmal stabilisiert hat. Doch was sich in der Natur über Jahre entwickelt, soll im Aquarium möglichst schnell gehen. Damit dein Ökosystem tatsächlich funktionieren kann, musst du dein Aquarium einfahren. So nennt man den Zeitraum, in dem sich Bakterien bilden und sich die Wasserwerte einpendeln.
Die Bakterien, sogenannte Filterbakterien, halten dein Aquarium stabil und sorgen dafür, dass organische Abfälle und Überreste von Futter, Ausscheidungen oder Pflanzen ordentlich verwertet werden. Diese Bakterien müssen sich aber erst einmal bilden, damit diese Verwertungskette auch wirklich funktioniert. Erst einmal ist dein kleines Ökosystem also recht fragil.
Wichtig ist, dass du auf keinen Fall sofort Tiere in dein frisch befülltes Aquarium setzt. Das ist in Deutschland aus Tierschutzgründen verboten, denn du riskierst so einen baldigen Erstickungstod deiner tierischen Bewohner.
Wir erklären dir heute, wie du ohne Probleme dein Aquarium einfahren kannst, wie lange das dauert und worauf du achten solltest.
Was genau bedeutet Aquarium einfahren?
Wir haben es im Grunde gerade schon angeschnitten: Beim Einfahren des Aquariums geht es darum, dass sich das Ökosystem entwickeln kann. Dabei sind vor allem die Bakterien wichtig, die die Abbaukette in Gang bringen.
In dieser Abbaukette verwerten die Bakterien Eiweiß zunächst zu Ammonium. Bei einem zu hohen pH-Wert kann es allerdings zu giftigem Ammoniak werden. Daraus können die Bakterien dann Nitrit machen, was für Fische und andere Bewohner giftig ist. Nitrit dringt durch bestimmte Zellen in den Kiemen in die Fische ein und blockiert das Hämoglobin. So kann der Sauerstoff nicht mehr transportiert werden und deine Fische ersticken. Daher ist es wichtig, dass weitere Bakterien das giftige Nitrit in weniger schädliches Nitrat umwandeln. Dieses wird dann wiederum von Pflanzen verstoffwechselt.
Erst wenn die Kette einwandfrei läuft, entstehen keine für Fische und Co. gefährlichen Peaks mehr und das Becken ist bereit für seine ersten Bewohner.
Pflanzen während der Einfahrphase
Pflanzen können und sollten während dieser Phase schon in deinem Aquarium sein. Zum einen haben Pflanzen, die emers, also über Wasser, gezüchtet wurden, so Zeit, ihre Blätter abzuwerfen und submerse Blätter (also Unterwasser-Blätter) auszubilden.
Gleichzeitig verringern die Pflanzen ein sprunghaftes Algenwachstum in der Einfahrphase. Da die Bakterien das Ökosystem noch nicht unter Kontrolle haben, ist dein Becken jetzt sehr anfällig für Algenwachstum und Algenblüten. Durch ihre bloße Anwesenheit brauchen Pflanzen Nährstoffe auf, die sonst für Algen zur Verfügung stehen würden.
Wie lange muss man ein Aquarium einfahren?
Die Einfahrphase dauert in der Regel mehrere Wochen. Ein Anhaltspunkt ist der Nitrit Peak. Dieser tritt nach dem Ammonium Peak auf und stößt das Wachstum der Bakterien an, die das Nitrit in Nitrat umwandeln. Etwa 2 bis 4 Wochen nach diesem Peak kann man hoffen, dass die Einfahrphase dem Ende entgegengeht.
Insgesamt kann diese Phase rund 12 Wochen andauern. Selbst nach dieser Zeit solltest du nicht sofort mit vollem Besatz loslegen, aber sowohl zu dem richtigen Besatz als auch zu den Bedeutungen der Peaks kommen wir im Verlauf dieses Ratgebers noch einmal genauer zurück.
Aquarium einfahren richtig machen
Zunächst einmal solltest du dein Aquarium, was Hardscape und Bepflanzung angeht, soweit fertig gestaltet haben. So können sich die Bakterien auf den Oberflächen ablagern und müssen diese nicht zusätzlich „neu erobern“, wenn du sie mit tierischen Bewohnern einsetzt. Außerdem können die Pflanzen das entstehende Nitrat direkt verarbeiten.
Animpfen: Bakterien ins Wasser einführen
Die ganze Zeit über sprechen wir schon darüber, dass die Bakterien sich in deinem Aquarium vermehren und ausbalancieren müssen, aber wie kommen die Bakterien in dein Aquarium?
Im Grunde kannst du einfach abwarten. Die Bakterien, die man für den Stickstoffkreislauf braucht, sind Bodenbakterien und finden sich in üblichem Haushaltsstaub. So gelangen sie mit der Zeit von ganz allein ins Wasser. Genauso, wie alle anderen Mikroorganismen, die sich im Staub so herumtreiben. Daher ist Abwarten zwar eine Möglichkeit, aber keineswegs die schnellste oder sicherste Variante, an ein ausgewogenes Ökosystem zu kommen. Stattdessen kann man das Wasser animpfen.
Besatz aus laufendem Becken
Wenn du bereits ein stabiles Aquarium hast, kannst du einfach etwas aus diesem Becken in dein neues Becken einsetzen. Das kann eine Wurzel, ein Stein, eine Pflanze oder auch ein bisschen Bodengrund aus dem anderen Becken sein. Die Bakterien setzen sich nämlich auf allen Oberflächen ab. Wenn du jetzt also etwas aus einem stabilen Bakterium herüberholst, hast du im Grunde dein eigenes „Starterpack“ in dein neues Becken gesetzt.
Diese müssen sich natürlich trotzdem noch immens vermehren. Das dauert auch mit diesem Grundstock einige Wochen.
Filterschlamm
Eine Möglichkeit, mit der gleich ein ganzer Haufen der nützlichen Bakterien in dein Becken kommt, ist das Ausdrücken eines Filterschwamms. Auch hierfür brauchst du ein bereits stabiles Becken, dessen Filterschwamm du nutzen kannst.
Bei dieser Möglichkeit gelangt eine solche Vielzahl an Bakterien in dein Wasser, dass die Einfahrzeit merklich verkürzt werden kann. Das solltest du aber immer mit Wassertests überprüfen und erstmal ein bis zwei Wochen abwarten, ob nicht doch ein Peak auftritt, ehe du mit dem Besatz beginnst.
Animpfen mit Erdaufguss
Wie gesagt, die Bakterien, die dein Aquarium braucht, Bodenbakterien, die man auch außerhalb feuchter Biotope findet. Eine alte, doch durchaus noch immer genutzte Technik ist die des Erdaufgusses. Eine Prise unbehandelte Gartenerde mischst du in ein Glas Wasser. Rühre gut durch und lasse die Erde dann wieder absinken.
Jetzt kannst du pro 50 l Aquariumwasser einen Esslöffel dieses Aufgusses in dein Aquarium geben. Achtung! Zu viel von diesem sehr potenten Mix kann zu einer Bakterienblüte führen. Dosiere also sehr genau.
Wenn du eine Bakterienblüte oder starken Algenbefall hast, kannst du übrigens bei unserem Ratgeber zum Thema „Aquarium Wasser trüb – Was hilft?“ nachlesen, was du dagegen tun kannst.
Starterbakterien
Alternativ zu den sehr natürlichen Methoden kannst du auch den Booster nutzen: Starterbakterien. Die bekommst du online oder bei deinem lokalen Aquaristik-Shop. Hierbei handelt es sich um lebende Bakterien, die du in dein Wasser gibst.
Einige Hersteller behaupten, dass nach der Behandlung mit diesen Starterbakterien schon am nächsten Tag Besatz möglich ist. Wir empfehlen, trotzdem ein wenig abzuwarten, wie sich die Wasserwerte entwickeln.
Bakterien füttern
Zunächst einmal ist in deinem Aquarium ja noch nicht so viel organischer Müll. Deine Pflanzen verbrauchen zwar das Nitrat, aber es gibt keine Ausscheidungen, keine Futterreste, nichts, woran die Bakterien sich satt fressen können. Die Bakterien müssen aber wohlgenährt sein, um sich zu vermehren. Du musst also deine Bakterien zu Beginn ein bisschen füttern.
Hierfür kannst du extra Präparate kaufen, oder aber du zerreibst einige wenige Futterflocken für Fische zwischen den Fingern und gibst sie ins Wasser. Nur wenn das Wasser belastet ist, kann sich die Bakterienflora vermehren.
Das ist übrigens auch ein Grund, dass man nicht gleich nach der Einfahrphase einen ganzen Haufen Fische einsetzen sollte. Setze stattdessen nach und nach mehr Tiere ein, damit die Bakterienflora sich an die neuen Wasserbelastungen anpassen kann.
Pflanzen
Die richtigen Pflanzen können die Einfahrphase stark positiv beeinflussen. Wir haben bereits erklärt, dass Pflanzen dafür sorgen, dass kein explosives Algenwachstum entsteht. Gleichzeit verbrauchen sie das hergestellte Nitrat und produzieren Sauerstoff.
Damit die Pflanzen selbst jetzt aber wachsen und gedeihen können, braucht es noch ein bisschen mehr. Für gutes Pflanzenwachstum braucht es die richtigen Verhältnisse aus Licht, CO₂ und Nährstoffen.
CO₂ sorgt dafür, dass die Fotosynthese richtig laufen kann. So können die Pflanzen viel mehr Nährstoffe verarbeiten.
Sinnvoll sind schnellwachsende Pflanzen, die viele Nährstoffe brauchen und sich schnell eingewöhnen. Schwimmpflanzen sind hier besonders fix und verbrauchen quasi direkt nach dem Einsetzen schon Nährstoffe. Schnellwachsende Bodenpflanzen brauchen einige Tage, bis sie anfangen, Nährstoffe zu verbrauchen. Am besten ist eine Kombination aus beidem. Bedenke nur, dass Schwimmpflanzen dafür sorgen, dass weniger Licht bis zum Boden kommt. Apropos Licht.
Beleuchtung
Die richtige Beleuchtung ist zu Beginn der Einfahrphase möglichst wenig. Zu lange Beleuchtung setzt Nährstoffe frei, die die Pflanzen und Bakterien am Anfang noch nicht verwerten können. So bilden sich Algen. Ein gewisses Auftreten von Algen ist ganz normal, doch du solltest trotzdem versuchen, ihnen so wenig Chancen wie möglich zu geben.
Natürlich gilt, dass dein Aquarium auch in der Einfahrphase nicht in direktem Sonnenlicht stehen sollte. Das kann dein Wasser aufheizen und zu viel Licht einbringen, was, du ahnst es sicher schon, zu Algen führen kann.
Stattdessen solltest du deine künstliche Beleuchtung nach und nach aufbauen. Beginne mit etwa vier Stunden Beleuchtungsdauer. Jede Woche kannst du diese vier Stunden dann um eine halbe Stunde erhöhen, bis du die vollen acht bis zehn Stunden Beleuchtung erreichst.
Das gibt deinen Pflanzen Zeit, sich einzugewöhnen, Wurzeln zu entwickeln und langsam die Fotosynthese aufzunehmen und hochzufahren.
Wichtig ist zu Beginn auch, dass du erst einmal tote Pflanzenteile sofort aus dem Becken holen solltest. Grundsätzlich werden diese von Mikroorganismen zersetzt, aber zum einen kann es sein, dass noch nicht genügend Organismen vorhanden sind und zum anderen kann es sein, dass die dann freigesetzten Nährstoffe zu viel für dein Becken sind. Auch das ist ein Beschleuniger für Algenwachstum.
Die Peaks beim Aquarium einfahren
Wir haben sie jetzt schon mehrfach erwähnt, aber nun kommen wir endlich zu einer ausführlichen Erklärung: die Peaks. Während du dein Aquarium einfährst, wird es höchstwahrscheinlich zu zwei Peaks kommen. Zuerst kommt der Ammonium-Peak, dann der Nitrit-Peak. Wie sie entstehen, erklären wir jetzt.
Der Ammonium-Peak
Der Ammonium-Peak ist grundsätzlich ungefährlich, es sei denn, der Wasser-pH-Wert liegt bei sieben und darüber. Dann kann nämlich das giftige Ammoniak entstehen. Aber wie entsteht der Peak?
Die Bakterien in einem Aquarium passen sich nach und nach an. Zuerst einmal entsteht Ammonium. Es wird aus Eiweiß umgewandelt. Allerdings gibt es ja noch keine oder wenige Bakterien, die Ammonium verarbeiten können, denn vorher gab es einfach keinen Bedarf. Daher steigt der Ammonium-Gehalt im Wasser. Solange du noch keinen Besatz im Aquarium hast, kannst du das einfach geschehen lassen, denn selbst wenn der pH-Wert zu hoch liegt und Ammoniak entsteht, bringst du keine Bewohner in Gefahr. Er ist also relativ unspektakulär.
Trotzdem kannst du dieser Ammoniak-Bildung vorbeugen, indem du eine CO₂-Anlage einsetzt. Das hilft nicht nur deinen Pflanzen, sondern hält auch den pH-Wert unter der gefährlichen Grenze.
Haben sich dann genügend Bakterien gebildet, die das Ammonium abbauen können, wandeln sie es in Nitrit um. Es kommt zum zweiten Peak.
Der Nitrit-Peak
Wie der Ammonium-Peak entsteht, entsteht auch der Nitrit-Peak. Bakterien verarbeiten Ammonium zu Nitrit, doch es gibt noch nicht genügend Bakterien, die das in Nitrat verwandeln können.
Nitrit-Peaks können extrem stark ausfallen und sogar die Skala herkömmlicher Tests sprengen. Solange nichts außer Pflanzen in deinem Aquarium lebt, ist das aber nicht schlimm. Hast du schon Lebewesen im Wasser, solltest du diese jetzt schnell retten. Ab einer Konzentration von 0,5 mg/l ist Nitrit lebensgefährlich für Fische. Es blockiert das Hämoglobin und lässt die armen Tiere ersticken.
Wenn der Peak überwunden ist, die Werte also stetig sinken, geht es langsam auf die letzte Phase des Aquarium Einfahrens zu.
Der erste Besatz
Nach dem Nitrit Peak solltest du noch etwa 2 Wochen lang alle paar Tage Wassertests durchführen, um zu überprüfen, ob sich deine Wasserwerte auf Fisch-verträglichen Werten einpendeln. Ab einem stabilen Wert von höchsten 0,2mg/l kannst du dich mit ersten Besatz-Kandidaten beschäftigen.
Wichtig ist, dass du nicht sofort viele Tiere einsetzt. Die Filterbakterien sind noch nicht bereit dazu, so große Mengen an organischem Müll zu verarbeiten. Setze nach und nach Tiere ein, damit deine Bakterien an den Herausforderungen wachsen können und nicht gleich erschlagen werden.
Erste Tiere nach dem Aquarium einfahren
Unser Tipp ist, nach dem Aquarium einfahren erst einmal mit ziemlich robusten Tieren wie Posthornschnecken zu beginnen. Die sorgen für einen sanften Anstieg an organischem Abfall, an den deine Bakterien sich schnell gewöhnen können. Nach etwa zwei Wochen kannst du zu deinen Schnecken einige Garnelen einsetzen. Die Garnelen der Gattung Neocaridina sind recht robust und kommen auch mit schwierigeren Wasserbedingungen klar. Außerdem sind sie in den verschiedensten Farbvarianten erhältlich und bilden so die optimalen ersten Farbkleckse in deinem Becken.
Erst wenn sich deine Bakterien auch an die Garnelen gewöhnen konnten, kannst du die ersten Fische einsetzen. Kontrolliere zwischen jedem der Schritte die Wasserwerte, damit du bei Ausbrüchen in jegliche Richtung sofort reagieren kannst. Bei den Fischen ergibt es Sinn, mit Welsen anzufangen. Danach kannst du dann die ersten Schwarmfische einsetzen. In unserem Beitrag über „Aquarium Fische für Anfänger“ haben wir erklärt, welche Fische sich für einen Erstbesatz eignen.
Aquarium einfahren zusammengefasst
Grundsätzlich muss die Einfahrzeit nicht besonders aufregend oder nervenaufreibend verlaufen. Wenn du auf einige Dinge achtest und den kleinen Filterbakterien genug Zeit gibst, ihren Job zu machen, kann eigentlich nicht viel schiefgehen. So sorgst du dafür, dass deine tierischen Bewohner in ein gesundes Ökosystem kommen und sich sofort wohlfühlen können.
Es passiert eine Menge in diesen ersten Wochen, doch davon sehen wir relativ wenig, weil es sich in mikroskopischen Größenbereichen abspielt. Wir müssen den Bakterien vertrauen, unser Becken in Gang zu kriegen. Bevor wir dafür sorgen, dass sich nicht nur Fische und Garnelen in unserem Aquarium wohlfühlen, sollten wir uns um die Filterbakterien kümmern.
Wir hoffen, dieser Guide konnte dir helfen und dein Becken ist in wenigen Wochen startklar!
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